Demokratie in Gefahr. Das Referendum in Aserbaidschan

 Ilham Alijew, Präsident von Aserbaidschan. - Dieses Bild steht unter einer GNU-Lizenz.

 

20. März 2009
Von Dr. Iris Kempe
Von Dr. Iris Kempe

Am 18. März haben Aserbaidschans Bürger dafür gestimmt, ihren Präsidenten Ilham Alijew länger als zwei Amtszeiten kandidieren zu lassen. Damit sichern sie dem umstrittenen Präsidenten die Macht auch über das Jahr 2013 hinaus. Zuvor waren die Aserbaidschaner mit administrativen Mitteln unverblümt zur Abstimmung gezwungen worden: So forderte die Präsidialverwaltung Lehrer und Wissenschaftler offen dazu auf, sämtlichen Mitarbeitern die Abstimmung nahezulegen.

Die Änderung der Verfassung bedroht die Zukunft der Demokratie in Aserbaidschan. Der seit 2003 amtierende Präsident Alijew hatte das Amt von seinem verstorbenen Vater geerbt. Kritische Stimmen für Demokratie und Menschrechte wurden seitdem mit restriktiven Maßnahmen sukzessive eingeschüchtert: Bereits Ende 2008 hatte die Regierung wichtige nationale und internationale Radiostationen wie Radio Free Europe, Stimme Amerikas und BBC geschlossen. Längst dominiert die Korruption den Alltag in Aserbaidschan: Das Referendum ermöglicht denn auch autoritären Familienclans in Alijews Dunstkreis, ihre Macht weiter auszubauen. Akteure des demokratischen Spektrums befürchten bereits, dass der nächste Schritt die Abstimmung über Alijews lebenslängliche Amtszeit sein wird. Der Präsident plant schon jetzt die künftige Übertragung der Amtsgeschäfte an seinen Sohn Heydar.

Monarchistisches System der Erbfolge

Die Macht Alijews gründet auf staatlicher Kontrolle und dem Ölreichtum des Landes: Unter dem Grund des Kaspischen Meeres sollen etwa 100 Milliarden Barrel Öl liegen. Der Öl-Sektor erwirtschaftet 53 Prozent des aserbaidschanischen BIP und 64 Prozent der Staatseinnahmen. Die Gewinnsteigerung in diesem Sektor hat dem ansonsten strukturschwachen Land mit über 21 Prozent zwischen 2003 und 2007 das weltweit größte Wirtschaftswachstum beschert. Trotzdem gelingt es nicht, den Ölreichtum in leistungsfähiges, staatliches Handeln umzuwandeln, wirtschaftliche Modernität zu fördern und breite Bevölkerungskreise am Wachstum teilhaben zu lassen.

In Baku, der Hauptstadt des Landes, riecht es nach Öl, im Straßenbild dominieren Denkmäler von Vater Alijew, Wolkenkratzer und die marode Bausubstanz die Altstadt. Allerdings werden sich die sinkenden Weltenergiepreise unmittelbar auf die politische und wirtschaftliche Lage im Land auswirken. Sollte der Ölpreis unter 40 Dollar pro Barrel fallen, kann der Staat seine bisherige Politik nicht aufrechterhalten. Internationalen Angaben zufolge sind die derzeitigen Ölvorkommen im Land auf 20 Jahre begrenzt.
Erhöhtes Konfliktpotenzial für den südlichen Kaukasus

In Baku riecht es nach Öl

Vorsichtshalber hat Alijew mit dem Referendum möglicher Kritik an der abnehmenden Leistungsfähigkeit der Wirtschaft Aserbaidschans und der politischen Handlungsfähigkeit seines Systems einen Riegel vorgeschoben. Dieser Schritt hat Auswirkungen über das Land hinaus: Weder Armenien noch Georgien sind gefestigte Demokratien, und die Beziehungen zu Armenien sind durch den noch immer ungelösten Berg-Karabach-Konflikt ohnehin belastet. In den vergangenen Jahren hat Aserbaidschan seine Verteidigungsausgaben zudem drastisch erhöht. Das Referendum steht also nicht nur für die Abkehr von demokratischen Grundsätzen und europäischen Werten – es erhöht auch das Konfliktpotenzial im südlichen Kaukasus.

Dr. Iris Kempe leitet das Büro der Heinrich-Böll-Stiftung in Tbilisi, Georgien

 
 
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